Christiane_O
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Eine Zuneigung
die zuspaetromantik greift bei christiane_0 zu einem bekannten thema:
die affäre mit einem jüngeren man am Freitag 17.02.06
Schürfwunden
Ausschnitte:
1.Das Gift
2.Lebeweiber
3.Wodka
4.Eine Freundin
5.Prinz und
Prinzessin
1. Das Gift
Ich gehe ins Kaufhaus um mir ein neues Parfum zu
kaufen.
Die Parfumeuse berät mich mit nahezu liebevoller Zuwendung.
Sie hat eine besonders interessante Verkaufsstrategie: Sie präsentiert
den Flakon und die Marke des Duftes stets erst, nachdem sie diesen
auf den obligatorischen Papierstreifen gesprüht und kurz aber
kräftig unter meiner Nase hinweggezogen hat. So gelingt es
ihr, mich mit einem Duft zu überraschen, den ich vor ungefähr
zwanzig Jahren sehr intensiv benutzt habe.
Ich hatte damals einen sehr schüchternen, ganz lieben und angenehm
leicht zu beeindruckenden Verehrer namens H. Bevor er mir begegnete,
hatte H. in seiner Freizeit vorwiegend mit Modelleisenbahnen verkehrt.
Und H., so schüchtern, dünn und bleich, wie er war, wurde
seltsamerweise an diesem schweren, süßen, irgendwie barocken
Duft ganz irr. Im positiven Sinne.
Wir fuhren in einem alten klapprigen Ford Taunus durch die Gegend,
den er von seinem Opa geliehen hatte und H. sog die dichten Schwaden
des mir anhaftenden schweren, veilchenschwangeren Duftes genießerisch
durch seine zartblaugeäderten dünnen Nasenflügel
ein, bis auf den tiefen Grund seiner Knabenseele. Dazu erklang aus
den wummernden Boxen einer hoffnungslos übersteuerten Anlage
im Fond das Hundeheulen des Sängers Bono von der damals aktuellen
Popgruppe U2...
2. Lebeweiber
Nach sehr langer Zeit sehe ich eine alte Bekannte
wieder. Sie ist mit einer Freundin hier in der Stadt. Ein Kurzbesuch
bei einem Cousin der Freundin der Bekannten. Die Bekannte war immer
ein Lebeweib, was man ihr allerdings nie auf den ersten Blick ansah.
Eine große, starkknochige norddeutsche Blonde mit stahlblauen
Augen und einem schön-markanten, etwas kantigen Gesicht. Sie
kleidete sich immer modisch-dezent, und so auch jetzt noch. Ich
erkannte die beiden Frauen von weitem, weil hier in der Stadt niemand
so weißblau und gepflegt daherkommt wie diese zwei schlanken
Mitvierzigerinnen.
Wir waren Kolleginnen damals, in der kleinen Universitätsstadt,
arbeiteten im selben Sprachinstitut, und ich freute mich immer auf
sehr auf die gemeinsamen Pausen oder die Stunden nach dem Unterricht
beim Cappuccino in einem lauschigen Café der Altstadt, wo
mich die Bekannte mit neuesten Abenteuern versorgte; sie hatte immer
Affären und ging in Clubs, in die ich mich nicht mehr traute...
3. Wodka
Während in ihrem Zimmer ein leicht angetrunkener,
aber sehr netter junger Mann ein wenig hilflos auf und abgeht, steht
sie hier im Bad mit sich allein vor dem Spiegel. Sie glaubt zu sehen,
wie ihre Züge sich fast auflösen, im dunklen fernen Widerschein
des Glases...
Ein tausendfaches Déjà-vu. Sie kennt
diese Szene in- und auswendig. Ganz hinten im Spiegelschränkchen
steht der silberne Flachmann. Sie zieht ihn geschickt hinter den
Kosmetika hervor, schraubt ihn hastig auf und nimmt einen tiefen
Zug. Ein paar Pillen obendrauf. Noch ein Zug.
Der Mann dort im Zimmer ist wirklich sehr nett.
Gut gebaut. Wäre sie eine normale junge Frau, würde sie
sich jetzt ein wenig verlieben oder es wäre schon geschehen,
eben im Club. Sie aber will das nicht; diese Sentimentalitäten.
Und die Ängste... Nicht das suchen, was man wieder verlieren
könnte...
4.
Eine Freundin
Auf der Rückreise besuchen wir eine alte Freundin
von mir.
Sie wohnt wieder im idyllischen F., weil es ihren Freund N. dorthin
zurückzog. In die Heimat. Nach drei Jahren Berlin. In einem
Randbezirk der hübschen Studentenstadt am Schwarzwaldrand,
eigentlich ist es schon ein richtiges Dorf, wohnt sie also jetzt
mit ihrem N.
Wir nähern uns auf der Landstraße, die
durch das Dreisamtal führt. In sommerlichem Dunst liegt hinten
verträumt der Schwarzwald. „Leben, wo andere Urlaub machen!“
lese ich auf einer Reklametafel vor einer Baustelle;
„Hier entsteht ein Seniorenwohnheim...“
Hier ist es. Ein rosa gestrichener 70er-Jahre-Neubau.
Unten drin ist die Volksbank. Wir stehen auf den Waschbetonstufen
unsicher vor den Klingelschildern. Ihr Name fehlt. Gibt es noch
einen Eingang? Ist es doch das falsche Haus? Nein, da ist seiner.
Richtig, jetzt erinnere ich mich, sie hatte es mir schon am Telefon
gesagt, ihr Name steht noch nicht auf dem Schild. Ihre Stimme in
der Gegensprechanlage klingt fremd und dünn...
5. Prinz
und Prinzessin
Unten, ziemlich direkt vor unserem Haus, um genau
zu sein, man fällt fast drüber, wenn man aus der Tür
tritt, steht ein Altkleider-Container. „Schuhe bitte nur paarweise
gebündelt einwerfen“, steht drauf. Es ist Frühjahr.
Ich räume auf, also schmeiße ich was rein. Winter ade...
Auf dem Container klebt schon sehr lange ein
eigenartiges Kinoplakat für irgendeinen Kitschfilm. Ich wollte
das eigenartige Bild Anfang des Winters eigentlich einfangen; das
Motiv erschien mir so skurril zu seinem Untergrund: Prinz und Prinzessin
auf dem Altkleider-Container! Nun ist das Ablichten des Klischees
wohl nicht mehr möglich. Man kann es kaum noch entziffern.
Das Kleid war mal rosa oder pink. Es ist jetzt völlig verblichen,
und aus dem schemenhaften Umriss des schwindenden Kleidungsstücks
ragen die feinen Gliedmaßen seiner Trägerin heraus, wie
Porzellanpuppenhände aus einer Tarnkappe. All die Zeit, die
sie hier an diesem Unort verbrachte, hat die Prinzessin langsam
unsichtbar gemacht...
Lesungen im:
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